
Geboren in China, aufgewachsen in Deutschland und jetzt wieder zurück in China – bei einem solchen Lebenslauf bietet es sich regelrecht an, als Vermittlerin zwischen beiden Kulturkreisen und Lebenswelten tätig zu sein.
Ich habe das große Glück, beide Seiten zu kennen – und bin seit Mai 2024 für die TRATON GROUP als Senior Legal Counsel in Shanghai im Einsatz. Dort, in der Wirtschaftsmetropole mit der futuristischen Skyline, organisiere ich mit meinem kleinen Team den Aufbau der Rechtsabteilung für unser lokales Projekt. Ab 2025 werden am neuen Scania-Standort in Rugao Nutzfahrzeuge für den chinesischen Markt produziert.
Außerdem kümmere ich mich zusammen mit meinem Team um die rechtlichen Belange rund um die Entwicklung des neuen Trucks und den Aufbau eines Vertriebsnetzwerks. Ein anspruchsvoller Einsatz: Denn neben unterschiedlichen Rechtssystemen müssen wir die jeweiligen kulturellen Eigenarten der Partner bei Vertragsverhandlungen zusammenführen. Das beginnt beim Formulieren von Verträgen, geht über das Risikomanagement einschließlich des Umgangs mit Daten bis hin zum Schutz von Markenrechten. Das ist ein echt dickes Brett. Vor allem vor dem Hintergrund, dass das chinesische Rechtssystem deutlich mehr Raum für Interpretationen zulässt als die deutsche Gesetzgebung. Mein Background als Senior Legal Council bei TRATON in München hilft dabei, diese Aufgaben erfolgreich zu gestalten.

Bei diesen Tätigkeiten werden mein Team und ich auch von Kolleginnen und Kollegen unterstützt, die mit rechtlichen Themen in den unterschiedlichen Abteilungen vor Ort zu tun haben. Etwa beim Umgang mit staatlichen Vorgaben oder bei Partnerschaften mit lokalen Zulieferbetrieben. Diese Zusammenarbeit innerhalb des Projekts ist offen und kreativ. Es gibt kein Silodenken. Wir nutzen das Wissen und den Input aller TRATON-Beschäftigten, um unser gemeinsames Ziel voranzutreiben: Nutzfahrzeuge für China herzustellen, die an die lokalen Produktions- und Vertriebskapazitäten angepasst wurden und rechtlich auf soliden Füßen stehen. „In China für China“ wird das genannt. Bei unseren Meetings mit Beschäftigten und Lieferanten kommunizieren wir auf Englisch und Chinesisch. Alle sind engagiert und versuchen, den Gesprächspartner zu verstehen. Und dabei wird immer wieder klar: In Zukunft spielt China für die TRATON GROUP und ihre Marken eine noch entscheidendere Rolle.
Der vielschichtige Markt im Reich der Mitte eröffnet gewaltige Wachstumsperspektiven. Basis für diese Entwicklung ist der Einsatz des TRATON Modular Systems (TMS), das auf die Standardisierung von Komponenten abzielt. Alle Erfahrungen und Erkenntnisse, die wir in China mit dem Projekt machen und die wiederum in die Arbeit mit dem TMS vor Ort einfließen, werden künftig zur globalen TRATON-Strategie beitragen. Demzufolge findet sich unsere Arbeit auch im Erfolg der gesamten Gruppe wieder. Das Projekt wird so zum Impulsgeber für weitere Prozesse innerhalb der TRATON GROUP – und kann so dazu beitragen, Teil von etwas wirklich Großem zu sein…

Was mich bei meiner Arbeit in China immer wieder fasziniert? Die Absprache auf Augenhöhe sowie die Schnelligkeit und die Konsequenz, mit der ein Projekt umgesetzt wird. Hinzu kommt der Mut, neue Lösungen zu suchen und vordergründig starre Muster zu durchbrechen. Anders als in Deutschland mit seinen festgeschriebenen Abläufen und Verfahren sind die Beschäftigten in chinesischen Unternehmen eher dazu bereit, ausgetretene Pfade zu verlassen und eine Aufgabe einmal nicht nach Standardprozedur zu lösen. Das ist sehr beeindruckend. Vor allem aber hat mich der Stand der Digitalisierung überrascht. Bargeld gibt es rund um Shanghai so gut wie gar nicht mehr; in den Supermärkten wird fast ausschließlich mit dem Handy oder mit Gesichtserkennung bezahlt. Und wer einen Grill samt Fleisch, Gemüse und Getränken für seinen Ausflug in den Park braucht, bestellt alles im Internet. Die Lieferung erfolgt innerhalb weniger Minuten.
Seit ich mit meiner Tochter und meinem Mann in Shanghai lebe, bekommen wir regelmäßig Besuch von unserer Familie und unseren Freunden aus Deutschland. Meine Mutter und meine Schwiegermutter genießen dann die Zeit mit uns – und die pulsierende Metropole am Fluss Huangpu. Auch Besuche beim chinesischen Teil meiner Familie in der Region Wuhan stehen jetzt viel öfter auf dem Programm. Gibt es eigentlich etwas, was ich an München vermisse? Ganz klar – Butterbrezel, Obazda und Currywurst. Und die tollen Kolleginnen und Kollegen aus der TRATON-Zentrale in der Hanauer Straße.
Beste Grüße aus China
Anna Ma